Expertenmeinung von Prof. Dr. Matthias Grünke

Erfolgreiches Lernen braucht eine förderliche Lernumgebung

Ob Kinder in der Schule erfolgreich lernen können, hängt von vielen Faktoren ab. Eine besondere Rolle spielt die räumliche Umgebung. In Zeiten zunehmender Inklusion, in der Mädchen und Jungen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen und Voraussetzungen immer häufiger gemeinsam unterrichtet werden, kann ein einheitliches Lernangebot immer weniger seinen Zweck erfüllen. Lehrkräfte sind mehr und mehr gefordert, ihre Förderung individuell abzustimmen.

Dazu gehört, dass Kinder immer wieder die Gelegenheit haben, an einzelnen Aufgaben konzentriert und ungestört in Teams oder in Kleingruppen zu arbeiten. Sind bei ihnen die Voraussetzung für die eigenständige Bewältigung bestimmter Probleme geschaffen, so sollten sie die Chance erhalten, diese Fähigkeit auch umzusetzen, indem sie verschiedene Lösungsansätze selbst erproben. Aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien ist bekannt, dass selbst erarbeitetes Wissen stabiler ist als von außen vorgegebenes. Kinder sollten deswegen oft und ausgiebig die Möglichkeit zum Experimentieren erhalten.

Des Weiteren gilt es zu berücksichtigen, dass vor allem junge Menschen einen ausgeprägten Bewegungsdrang haben und auf Dauer nicht erfolgreich lernen können, wenn sie stets "an ihren Stuhl gefesselt bleiben". Aus einschlägigen Untersuchungen weiß man, dass die intellektuelle und die motorische Leistung in engem Zusammenhang stehen. So konnte etwa im Rahmen der bekannten CHILT-Studie (Children's Health Interventional Trial) festgestellt werden, dass Kinder mit einer guten Koordinationsfähigkeit auch relativ konzentriert an die Lösung kognitiver Aufgaben herangehen. Die schulische Umgebung hat der zentralen Bedeutung von Bewegung für Kinder unbedingt Rechnung zu tragen. Mädchen und Jungen sollten nicht nur in den Pausen sinnvolle Angebote für eine körperliche Betätigung vorfinden, auch während des Unterrichts ist die Psychomotorik nicht zu vernachlässigen.

"Schule soll Spaß machen"

Gerade in Ganztagsschulen ist es wichtig, dass Kinder immer wieder Gelegenheit haben, sich zeitweise zurückzuziehen. Außerdem ist es unumgänglich, die äußeren Bedingungen zu schaffen, um Mädchen und Jungen mit besonderem Förderbedarf eine angemessene Therapie zu ermöglichen.

Eine Lernumgebung sollte zu guter Letzt nicht nur funktionalen Erfordernissen gerecht werden, sondern auch attraktiv und einladend gestaltet sein. Kinder müssen sich wohl und geborgen fühlen, um sich angstfrei mit dem Unterrichtsstoff auseinander zu setzen. Der Erwerb von Wissen und Kompetenzen sollte mit positiven Emotionen verknüpft sein. Ein ästhetisch ansprechen des Umfeld ist hierfür eine wesentliche Voraussetzung.

Prof. Dr. Matthias Grünke
Inhaber des Lehrstuhls für Konzeption und Evaluation schulischer Förderung bei lernbeeinträchtigten Kindern und Jugendlichen an der Universität Köln. Herausgeber mehrerer Bücher über Hilfen bei Leistungsproblemen und Autor von annähernd 100 wissenschaftlichen Aufsätzen zu dieser Thematik. Vizepräsident des Verbandes "Learning Disabilities Worldwide" mit Sitz in Massachusetts (USA) und Herausgeber der Zeitschrift "Empirische Sonderpädagogik".